Brandenburg – Sansibar: Bildung im kolonialen Spannungsfeld

Auch unsere Bildungs- und Partnerschaftsprojekte bewegen sich in diesem Spannungsfeld. Spätestens bei der Beantragung der Visa werden historisch gewachsene Ungleichheiten sichtbar. Die Brandenburger*innen können ohne Probleme nach Tansania reisen, während für die Sansibaris ein Kampf durch den Dschungel von Formalitäten, Bestätigungen, Nachweisen beginnt, der mit der Bewältigung der technischen Anforderungen endet, die für die Einzelnen eine große Herausforderung sind.

Meist kommen die finanziellen Ressourcen für die Zusammenarbeit aus Brandenburg. So entstehen schnell Rollen von Gebenden und Nehmenden, es bilden sich Abhängigkeiten, stereotype Beziehungen und Bilder werden reproduziert. Gleichberechtigtes voneinander Lernen hat dadurch eine schwierige Ausgangslage, die wir im Rahmen unserer jährlichen Veranstaltung 2023 in den Blick nehmen wollen.

Wir wollen reflektieren, wie wir unsere Bildungsprojekte weiter dekolonialisieren können. Wir wollen Spuren des Kolonialismus in Brandenburg und Deutschland suchen und mit Aktivisten diskutieren, wie es gelingen kann, scheinbar Vergangenes das immer noch gegenwärtig ist, aus unserem Alltag und unserem Miteinander zu verdrängen. 

Wann: 23. September 2023 von 14 Uhr bis 18 Uhr
Wo: Bürgerhaus am Schlaatz, Schilfhof 28, 14478 Potsdam
Was: Zeit für Reflexion – Austausch – Information über aktuelle (Grünes Klassenzimmer) und zukünftige Projekte (Begegnungen 2024)

Im Gespräch mit:

Mnyaka S Mboro und Karoline-Zaida Horstmann von Berlin Postkolonial e.V.
Sie geben Anstöße,  sich mit den Kontinuitäten des Kolonialismus kritisch zu beschäftigen.
Nicht gern spricht der Westen über die Zeit seiner gewalttätigen Expansion, über Versklavungshandel und Genozid – schon gar nicht mit den Nachfahren der Kolonisierten selbst. Sie tragen dazu bei Perspektiven der Nachfahren Kolonisierter und von Rassismus Betroffener in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen. Sie gehen in einem Gespräch auf wichtige Fragen zum Umgang mit der deutschen Kolonialzeit ein. 

Sonja Deichmann: Sie hat in ihrer Masterarbeit dekoloniale Ansätze und rassismuskritische Bildungsarbeit im Zusammenhang mit internationaler Jugendarbeit am Beispiel unserer internationale Jugendbegegnung Stadt-Land-Geld untersucht und wird einen Input dazu geben, wie globale Machtstrukturen das Miteinander in diesen Begegnungen beeinflusst haben und welche Prozesse der Auseinandersetzung mit dem eigenen Weiß sein in diesen Begegnungen angestoßen wurden.

 

Alle ehemaligen Teilnehmenden und Freund*innen der Projekte, Wegbegleiter*innen, Unterstützer*innen und Interessierte sind ganz herzlich eingeladen, an diesem Tag mit uns Erinnerungen zu reflektieren, Erfahrungen zu teilen und andere Perspektiven auf das Miteinander kennenzulernen. Natürlich gibt es auch genug Zeit, bei Kaffee und Kuchen mit guten Freunden zu reden oder neue Menschen kennenzulernen.

Ich freue mich darauf, viele Mitstreiter*innen wieder zu sehen und bitte darum, sich unter BirgitMitawi@t-online.de anzumelden.

Herzliche Grüße
Birgit Mitawi

 

 

Aktuelle Projekte 2019/2020

2019 Die Welt ein wenig retten

Tansania: Wichtig war es in dem Projekt nicht nur über Nachhaltigkeit zu reden. Wir haben versucht, im Projekt nachhaltig zu leben: Wir sind viel mit dem Fahrrad gefahren, haben Müll getrennt, alternative Kohle benutzt, Bäume gepflanzt und unsere Erfahrungen weitergeben.
Einige waren ganz ungeduldig, wollten sofort ihren Beitrag leisten, um ihre Gesellschaft mit zu gestalten. Das was wir in unserem Projekt machten, wie beispielsweise die Mülltrennung, erschien ihnen wichtig. Sie wollte diese sofort zu Hause in Sansibar-Stadt und bei den Nachbar einführen. Die Rahmenbedingungen waren dafür aber nicht gegeben. Es fehlte ein Garten, um natürliche Abfälle zu kompostieren und der einzige Müllcontainer in der Nähe ließ auch keine Trennung zu. Da waren wir bei den Grenzen individuellen Handelns. Es gibt viele Handlungen, die denkbar und wünschenswert wären, aber von Einzelnen nicht sofort umgesetzt werden können. Die Teilnehmenden lernten zu differenzieren, wer was sofort umsetzen kann, und wo an den Rahmenbedingungen gearbeitet werden muss.  
Die Gruppe hat ein eigenes Lied geschaffen und ihre Erkenntnisse in der Schule einer breiten Öffentlichkeit und den Medien präsentiert. Das kam gut an.

Deutschland:  In dieses Projekt der Mtopepo Secondary School Zanzibar Town und der Geschwister Scholl Gesamtschule Zossen (Ortsteil Dabendorf) unter Leitung der RAA Brandenburg in Zusammenarbeit mit Twende Pamoja Zanzibar wurden in Brandenburg auch Schüler*innen Hannah Arendt Gymnasium Potsdam und vom Vicco-von-Bülow-Gymnasium Falkensee einbezogen. In einem fünftägigen Seminar ging es darum, die schon interessierten Jugendlichen zum weiteren Engagement zu bewegen und als Peer-Multiplikator*innen zu qualifizieren, sodass sie in ihrem eigenen (schulischen) Umfeld für weitere Mitstreiter*innen werben können.
Erarbeitet wurden gemeinsame Unterrichtsprojekte für den Aufenthalt in Dabendorf und in Potsdam. Hier konnten die Jugendlichen gemeinsam ihre Erfahrungen weitergeben.
In Dabendorf wurden die Impulse von der Sansibar-Arbeitsgemeinschaft aufgegriffen, die weiter an den Themen arbeiten wird und im Kontakt mit den Partner*innen bleibt.
Für die Schüler*innen und Lehrkräfte des Hannah Arendt Gymnasium Potsdam war es die erste direkte Begegnung mit Partner*innen aus Sansibar. Unterrichtsprojekte und eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Kollegium sollten die Idee von Schüler*innen bekannt machen, die sich seit einem Jahr dafür einsetzen, dass Ihre Schule eine Partnerschaft mit einer Schule in Sansibar aufbaut. 

 

2020 Partnerschaft lebendig gestalten: Bülow-Gymnasium – Hamamni Sekundarschule

Mit der Anbahnungsreise 2016 sind das Vicco-von-Bülow-Gymnasium und die Hamamni Sekundarschule in einen Prozess eingestiegen, der das Ziel hat, eine Partnerschaft aufzubauen, in der allen bemüht sind, auf Augenhöhe zusammen zu arbeiten. „Die Herangehensweisen und die Vorstellungen von bestimmten Dingen wichen stark voneinander ab und es war schwierig, einen Kompromiss zu finden. Ließ man sich jedoch auf die Ideen seines Gegenüber ein, dann konnte man, auch wenn es etwas dauerte, gute Kompromisse und Lösungen finden.“ Diese Beschreibung eines Schülers steht für das Miteinander der Gruppen, die sehr partnerschaftlich und konstruktiv zusammen gearbeitet haben.

2017/2018 fand das erste Schüler*innenaustauschprogramm in Sansibar und in Brandenburg statt. Am konkreten Länderbeispiel (Deutschland – Tansania) haben die Jugendlichen Ursachen für Armut und Reichtum analysiert und sind der Frage nachgegangen, warum Tansania wenig von seinen Rohstoffen profitiert und was das mit unserem Weltwirtschaftssystem zu tun hat.   

2019 fand ein Wechsel in der Projektleitung statt, die bisher verantwortlichen Lehrkräfte sind in Rente gegangen oder gehen mit dem nächsten Schuljahr in Rente. Zwei junge engagierte Kollegen arbeiten jetzt mit der Schüler-Arbeitsgemeinschaft, um den Prozess weiter zu gestalten und gemeinsam mit den Partner*innen einen zweiten Austauschzyklus vorzubereiten.
2020 sollen die Partner*innen nach Falkensee kommen. Gemeinsam wollen sich Schüler*innen und Lehrkräfte des Vicco-von-Bülow-Gymnasiums und der Hamamnis-Sekundarschule damit beschäftigen, wie sie die Welt gemeinsam zu einem besseren Platz machen können. Sie wollen zwei Aspekte unseres Alltags analysieren und Lösungen finden, die sie selber umsetzen können.

  1. Warum werden Wälder abgeholzt für Holzkohle zum Kochen oder um zu grillen? Welche Alternativen können wir nutzen?
  2. Mode und Klima. Wegwerfmode ist auch Teil des Klima-Problems: Die Bekleidungs- und Schuhindustrie produziert mehr CO2 als der Schiffs- und Flugverkehr zusammen. Wie können wir uns nachhaltiger kleiden?

 

Schätze schützen

2019 konnten mit Spenden vom Leibnitz-Gymnasium Potsdam, der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Zossen und durch Spenden die über betterplace.org gesammelt wurden die Bilbiothek und die Laborräume der Mtopeposchule  in Sansibar weiter ausgestattet werden.
Die Ausstattung unserer Partnerschulen mit Büchern und Laborgeräten soll auch in Zukunft unterstützt werden. Mehr dazu auf der Webseite von betterplace, die wir seit 2010 nutzen, um die Projekte unsere Partner*innen in Sansibar dabei unterstützen, ihre SCHÄTZE ZU SCHÜTZEN.
In Bambi ist das Schulgebäude jetzt mit Fenstern und Toren ausgestattet, um Computer, Bibliothek und naturwissenschaftliche Labors zu schützen. In Chukwani verhindert eine Mauer, dass der Schulgarten von Nachbarn als Müllhalde benutzt wird oder deren Ziegen im Schulgarten fressen. SCHÄTZE SCHÜTZEN heißt auch Werterhaltung. So wurde die Mehrzweckhalle auf dem Schulgelände von Chukwani wieder voll nutzbar gemacht für größere Veranstaltungen, Prüfungen, Wettbewerbe und Ausstellungen.
Noch sind Bücher kein selbstverständlicher Teil des sansibarischen Alltags sondern Schätze besonderer Art.
Mit der Einrichtung der Bibliotheken an unseren Partnerschulen hat ein Prozesses begonnen, den wir mit diesem Projekt und ihrer Unterstützung begleiten möchten.
Die Aktualisierung und Erweiterung der Bibliotheken ist eine Daueraufgabe für unsere Partner*innen, denn jedes Jahr gibt es viele neue Erkenntnisse, neue Bücher und damit die Notwendigkeit, den Bücherbestand zu ergänzen.
2018 wurde zusätzlich eine "Mobile Bibliothek" eingerichtet, die es Schüler*innen ermöglicht, Bücher für ein Schuljahr auszuleihen. Auch dies Initiative wollen wir weiter unterstützen.
Über den Stand des Projektes können Sie sich auf der Spendenplattform betterplace informieren. Sie können dort für dieses Projekt Fürsprecher*in werden oder Unterstützer*in.
mehr Informationen  
 

Begegnungen mit Sansibar

Das Programm „Begegnungen mit Sansibar“ der RAA Brandenburg setzt auf persönliche Begegnungen in Deutschland und in Tansania, legt Wert auf eine umfangreiche partizipative Vor- und Nachbereitung sowie auf die Auseinandersetzung mit  eigenen und  fremden kulturellen Prägungen und Praktiken. Die Ergebnisse dieser Arbeit fließen ein in Bildungsmaterialien, die auch den Teilnehmenden als späteren Multiplikator*innen helfen, differenziert zu entwicklungspolitischen Themen Stellung zu nehmen und zu handeln.
Nachhaltig an dieser Arbeit ist die Verzahnung von Bildungsarbeit in Nord und Süd mit Begegnungen und Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, das Gestalten und das Entwickeln von Partnerschaften. Wir haben gelernt, dass Partnerschaft wachsen muss, dass sie Teil und Ergebnis eines gemeinsamen Weges ist, den wir seit 28 Jahren zusammen gehen. Die Gestaltung von Partnerschaften und Süd-Nord-Schulkontakten langfristig und nachhaltig zu unterstützen und zu begleiten, hat sich im Prozess der Projekte als eine zentrale Aufgabe herausgebildet. Dabei hat sich gezeigt, dass es sehr mühsam ist, Globales Lernen fest in den Schulalltag zu integrieren und/oder im Schulprofil zu beschreiben. Wir haben in diesem Bereich immer wieder Impulse gesetzt, Interesse aufgegriffen und Kontakte vermittelt.

„Begegnungen mit Sansibar“ – Geschichte der Zusammenarbeit 1992-2018